Rede zum Haushalt 2026

15.12.2025

Haushaltsrede für die Fraktion der Freien Demokraten FDP in der Friedberger Stadtverordnetenversammlung am 11. Dezember 2025 von Dr. Markus A. Schmidt. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Frau Erste Stadträtin,

sehr geehrte Mitglieder des Magistrats und der Verwaltung,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadtverordnete,

sehr geehrte Damen und Herren,  

am 23. Oktober stellte unsere Kämmerin hier in dieser Runde den Haushaltsentwurf 2026 vor. Auf Folie 12 ihrer Präsentation steht ein Satz, der uns alle aufrütteln muss: „Friedberg lebt von der Substanz.“ Wer sich die Zahlen im Entwurf genauer anschaut, sieht schnell, was das bedeutet: Friedberg hat kein Einnahmeproblem. Friedberg hat ein Ausgabenproblem! 

Unsere Stadt plant für 2026 mit über 89 Millionen Euro Erträgen – das sind rund 20 Millionen Euro mehr als noch 2020, also ein Plus von etwa 29 Prozent in nur sechs Jahren. Pro Kopf stehen damit etwa 2.800 Euro zur Verfügung. Das ist kein Armutshaushalt, das ist eine solide Grundlage. Doch auf der Ausgabenseite steht etwas anderes: Geplant sind mehr als 3.115 Euro pro Kopf, also rund 300 Euro mehr, als wir einnehmen. In Summe bedeutet das ein Defizit im ordentlichen Ergebnis von knapp 10 Millionen Euro – in nur einem Jahr. Wenn man das hochrechnet, ist klar: So können wir nicht weitermachen. 

Schauen wir auf die Treiber dieser Entwicklung:- Die Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen lagen 2020 unter 8 Millionen Euro – 2026 werden es rund 14,5 Millionen Euro sein. Das ist beinahe eine Verdopplung innerhalb weniger Jahre. – Wenn diese Dynamik anhält, liegen wir im Jahr 2040 bei fast 48 Millionen Euro nur für Sach- und Dienstleistungen – fast so viel, wie die Stadt heute in Summe für Personal, Sachaufwand, Abschreibungen und Zinsen ausgibt. 

Genauso bei den Personalkosten: Sie machen bereits heute mehr als ein Drittel unserer ordentlichen Erträge aus. Das heißt: Von jedem Euro, den Friedberg einnimmt, gehen direkt rund 33 Cent für Personalausgaben wieder weg – und das, obwohl längst nicht alle Stellen besetzt sind. Trotzdem sollen im kommenden Jahr weitere Stellen geschaffen werden, ohne dass vorher eine umfassende Organisationsuntersuchung für die gesamte Verwaltung abgeschlossen, ja noch nicht einmal angestoßen ist. Das diese Analyse aber längst überfällig ist, hat unsere Anfrage an die Verwaltung erst kürzlich gezeigt. 

Wenn wir so weiterarbeiten, ist der Weg vorgezeichnet: Spätestens ab Mitte der 2030er Jahre droht uns der Finanzkollaps. Damit dann die Haushalte überhaupt noch genehmigt werden, ist ein „Haushaltssicherungskonzept“ vorzulegen. Sobald die Rücklagen aufgebraucht sind und neue Kredite nicht mehr der Gestaltung, sondern nur noch dem Löcherstopfen dienen, bewegen wir uns ohne grundlegende Veränderungen auf diese Situation zu. Dann entscheidet nicht mehr Friedberg über Friedberg, sondern die Kommunal-Aufsicht. Dann stehen freiwillige Leistungen – Museum, Musikschule, Usa-Wellenbad, Bibliothek, Kinderlokal, Jimbala, Altes Hallenbad – in ihrer Existenz zur Disposition. Und dann müssen Steuern und Abgaben steigen – nicht nur in der Höhe der Steuersätze, sondern auch in der Zahl der Sachverhalte, für die Abgaben anfallen. Das heißt, dann stehen auch neue Abgaben an wie z.B. eine Straßenbeitragssatzung, so dass sich Anlieger teils mit zehntausenden Euro pro Grundstück an der Sanierung ihrer Straße beteiligen müssen. 

Gerade von Seiten der Sozialdemokratie hier im Saal wurde uns Freien Demokraten in den letzten Monaten gern unterstellt, dass die von uns vorgeschlagenen Anpassungen in der Unterstützung z.B. der Musikschule oder des Wetterau-Museums drauf abzielen würden, diese Institutionen abzuschaffen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Jeder, der sich grundlegenden Strukturveränderungen in Friedberg widersetzt, arbeitet letztlich viel mehr auf die Schließung der Musikschule, des Wetterau-Museums und vieler anderer Einrichtungen unserer Stadt hin, als wir es je getan haben. Denn wir wollen jetzt die Weichen zu stellen, damit wir diese Einrichtungen auch morgen noch finanziell unterstützen können. 

Um die Dimension klarzumachen:- Unter vorsichtigen Annahmen steigt die Verschuldung Friedbergs bis zum Jahr 2040 auf knapp 680 Millionen Euro, wenn wir ab 2028 Schulden aufnehmen müssen, um den Haushaltsausgleich herzustellen und die bereits beschlossenen Großprojekte zu finanzieren. Der jährliche Schuldendienst – also Zins- und Tilgungsleistungen – würde dann bei etwa 47 Millionen Euro liegen, das wären gut 30 Prozent unserer ordentlichen Erträge. Mit dem Bau einer Personenunterführung am Bahnhof wäre die Verschuldung sogar auf mehr als 725 Millionen Euro steigen; der Schuldendienst hätte dann bei knapp 51 Millionen Euro im Jahr gelegen – etwa ein Drittel aller ordentlichen Erträge. Zum Vergleich: Heute liegen Zins- und Tilgungsleistungen bei etwa 2,46 Prozent der ordentlichen Erträge – und schon Kommunen mit knapp 6 Prozent haben Haushaltssicherungskonzepte vorgelegt, wie etwa die Stadt Hungen mit 5,88 Prozent im vergangenen Jahr. Wir reden also nicht über kosmetische Risiken, sondern über eine echte Gefahr für die Handlungsfähigkeit unserer Stadt. 

Etwas möchte ich an dieser Stelle aber sehr deutlich machen: Massive Steuererhöhungen sind keine Lösung, sondern Teil des Problems. Friedberg liegt mit einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 Prozent bereits auf einem Niveau, das im Wettbewerb mit umliegenden Kommunen spürbar ist. Die Grundsteuer B liegt aktuell bei 590 Prozent, deutlich über vielen Nachbarkommunen im Wetteraukreis. Wer glaubt, man könne dieses Rad einfach noch weiter drehen, verkennt die Realität. Nehmen wir das Beispiel, das unsere Kämmerin kürzlich aufgezeigt hat: Würde Friedberg die Grundsteuer B – zur Verdeutlichung – auf das Dreifache anheben, dann bedeutet das für eine Familie, die in einer 80-Quadratmeterwohnung zur Miete lebt, jährliche Mehrkosten von bis zu 1.100 Euro. Dieses Geld fehlt dann bei Urlaub, Kleidung, Lebensmitteln, Ausbildung oder auch schlicht, um hier in Friedberg einzukaufen. Das würde unsere Gewerbetreibenden zusätzlich belasten. Für viele Eigenheimbesitzer kämen neben höheren laufenden Kosten noch Wertverluste ihrer Immobilien hinzu. 

Zusätzlich belasten höhere Grundsteuern den Staat an anderer Stelle: Wo die Nebenkosten ganz oder teilweise von staatlichen Stellen übernommen werden, zahlt am Ende wieder der Steuerzahler – nur über einen anderen Kanal. Gleichzeitig zeigt das IW Köln, dass allein die als „Rentenpaket II“ bezeichnete Finanzkatastrophe auf Bundesebene in den kommenden Jahren für massive zusätzliche Belastungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sorgen wird. In so einer Lage kommunal noch spürbar „draufzusatteln“, wäre schlicht unverantwortlich. 

Und auch für die Unternehmen vor Ort kann eine weitere massive Anhebung der Steuersätze existenzbedrohend sein: Höhere Hebesätze machen einen Standort unattraktiv, verhindern Investitionen, fördern Abwanderungen – und damit sinkt am Ende genau das, was man erhöhen wollte: das Steueraufkommen. Zudem würde wir unser Kirschendorf Ockstadt in eine existenzbedrohende Lage gebracht, denn schon heute geben viele Landwirte ihre Betriebe aufgrund gestiegener Mindestlöhne, unsinniger Bürokratieanforderungen und ausufernder Energiekosten auf. Wir Freie Demokraten sind nicht bereit, eines der Aushängeschilder Friedbergs zu opfern, weil andere nicht willens oder in der Lage sind, wirtschaftliche Realitäten anzuerkennen. 

Darum ist klar: Selbst drastische Steuererhöhungen würden das Problem Friedbergs nicht lösen. Sie würden der Stadt bestenfalls Zeit kaufen. Ohne ein Bremsen der Ausgabendynamik und ohne Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit würde auch mit massiven Steuererhöhungen spätestens Ende der 2030er Jahre erneut ein Haushaltssicherungskonzept drohen. Was ist also zu tun? 

Erstens: Wir müssen wieder Prioritäten setzen. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist finanzierbar. Wir müssen den Mut haben, Nein zu sagen – nicht aus Ideologie, sondern aus Verantwortung. Projekte (wie eine Personenunterführung am Bahnhof mit Kosten in zweistelliger Millionenhöhe und) ohne erkennbaren finanziellen Nutzen für passen nicht in einen Haushalt, der absehbar in Richtung 30 Prozent Schuldendienstquote steuert. Deshalb war es gut und richtig, die Personenunterführung heute ein für allemal zu begraben. 
Zweitens: Wir müssen die Ausgabenstruktur modernisieren.Das bedeutet ganz konkret: Digitale Verwaltung als Standard, nicht als Pilotprojekt – mit der Konsequenz, dass Sach- und Dienstleistungsaufwendungen nicht mit 10 oder 12 Prozent pro Jahr, sondern maximal mit der allgemeinen Teuerungsrate von etwa 2 Prozent wachsen.  Unser Antrag zur Digitalisierung der Stadtpolitik war nur ein erster, aber wichtiger Schritt in diese richtige Richtung. Und dieser Schritt muss nun auch endlich gegangen werden, denn wir bekommen ja noch immer Berge von ausgedruckten Unterlagen zu jeder Sitzung. Zudem ist es vor diesem Hintergrund umso bedauerlicher, dass sich die Mehrheit hier im Haus gegen unseren Vorschlag für einen effizienteren Stadtbus entschieden hat. Damit wurde eine weitere Chance zur Modernisierung Friedbergs verspielt. Zudem muss der Fokus der Personalpolitik der Verwaltung auf Effizienz gelegt werden: eine vollständige Organisationsuntersuchung, Umwidmung unbesetzter Stellen in wirklich kritische Bereiche, Nutzung von Fluktuation, um langfristig Stellen einsparen zu können. Auch müssen externe Verträge systematisch auf den Prüfstand: Wo zahlen wir Jahr für Jahr steigende Pauschalen, ohne dass der Nutzen mitwächst? Allein in den Sach- und Dienstleistungsverträgen steckt ein zweistelliges Millionenpotenzial über die nächsten 10 bis 15 Jahre. 
Drittens: Wir müssen Friedberg stärker machen – nicht teurer. Das heißt: Unternehmensansiedlungen erleichtern, Genehmigungsverfahren beschleunigen, Verlässlichkeit schaffen. Eine Stadt werden, die Unternehmerinnen und Unternehmer willkommen heißt, statt sie mit Bürokratie, Gebühren und Steuern zu verschrecken. Jede zusätzliche Firma, jeder zusätzliche Arbeitsplatz erhöht die Ertragskraft der Stadt – und senkt den Druck, an freiwilligen Leistungen zu sparen. Und wir müssen eine Stadt werden, in der sich Familien mit eigenem soliden Einkommen wohl und sicher fühlen und in der diese Menschen gern leben. 

Lassen Sie mich zum Abschluss aber noch etwas ergänzen: nämlich einen Appell an Land und Bund gerichtet: 

Fair ist es nicht, wenn Kommunen, die in den letzten Jahren über ihre Verhältnisse gelebt und auf Kosten der Allgemeinheit Schulden gemacht haben, nun vom Land finanzielle Unterstützung bekommen, während wir hier in Friedberg, die solide gearbeitet haben, leer ausgehen. Ein solches Agieren der Landesregierung setzt völlig falsche Anreize. 

Fair ist es auch nicht, wenn Kommunen im Auftrag des Landes oder Bundes Aufgaben schultern müssen, die finanziellen Mittel dafür aber nur unzureichend oder zeitlich befristet kommen. Das Prinzip muss lauten: Wer bestellt, zahlt. Die Ankündigung von Bundesfinanzminister Klingbeil, dieses Konzept künftig mehr zu leben, begrüßen wir sehr. Doch Papier ist geduldig, daher werden wir zeitnah einen Antrag vorlegen, sich genau dafür in Land und Bund einzusetzen – und wir laden alle Fraktionen ein, sich dem anzuschließen.  

Meine Damen und Herren, die Zukunft Friedbergs entsteht nicht zufällig. Sie entsteht durch Entscheidungen – durch unsere Entscheidungen hier in diesem Saal. Wir haben jetzt, nicht morgen, nicht nach der Wahl, sondern genau jetzt – ein Zeitfenster von wenigen Jahren, um die Weichen zu stellen: Für mehr Wachstum bei den Erträgen, für weniger Dynamik bei den Ausgaben, für eine Schuldenspirale, die gar nicht erst beginnt sich zu drehen. Wenn wir gezielt investieren statt blind zu verteilen, wenn wir ausgeben, was wir haben – nicht, was wir gern hätten, wenn wir die Freiheit der kommunalen Selbstverwaltung behalten wollen, dann müssen wir jetzt handeln: Mutig. Rational. Mit klarer liberaler Handschrift. Da dies alles in dem hier vorgelegten Entwurf nicht umgesetzt ist, ja, dass einige Aspekte wie die Personalentwicklung diesen genannten Notwendigkeiten sogar diametral entgegen laufen, werden wir als Fraktion der Freien Demokraten diesen Haushalt ablehnen. Wir arbeiten aber gern an einer grundlegenden Neuaufstellung mit, sollte sich die Mehrheit der hier anwesenden Stadtverordneten uns anschließen. Lassen Sie uns gemeinsam die Kehrtwende schaffen. Für Friedberg. Für die Menschen, die hier leben. Und für die Generationen, die nach uns kommen. Vielen Dank.