FDP Friedberg – Position zum Windpark Winterstein

14.10.2024

Infos zum Foto:
Blick aus Raum Pfaffenwiesbach in Richtung Süd-Osten. Im Wald zu sehen der Steinkopf-Turm, oben rechts Rosbach v.d.H., mittig Friedberg, oben links Bad Nauheim, ganz links Ober-Mörlen.
Aufnahme vom September 2021.

Der Windpark Winterstein soll realisiert werden. Auf den Flächen von Bundesforst, Landesforst Hessen sowie der Gemeinden Rosbach, Wehrheim und Friedberg sollen Windräder – oder fachsprachlich Windenergieanlagen (WEA) – aufgestellt werden. Derzeit sind insgesamt etwa 18 Anlagen im Gespräch. Die Friedberger Fraktion der Grünen hatte im Februar 2022 einen Grundsatzbeschluss zum Windpark vorgelegt, mit dem eine eigentumsübergreifende Planung mit Bundes- und Landesforst sowie den Kommunen Rosbach v.d.H. und Ober-Mörlen für ein Windparklayout erstellt werden soll. Dafür gab es in der Friedberger Stadtverordnetenversammlung am 17. Februar 2022 eine große Mehrheit von den Grünen, SPD, Linke und CDU gegen die Stimmen der Fraktionen der FDP und der UWG, die WEAs auf dem Winterstein grundsätzlich abgelehnt hatten.

Mittlerweile hat sich in der Sache viel getan: Eine gemeinsame Planung und Entwicklung des gesamten Ausbaugebiets ist vom Tisch. Der Bund hatte für seine Fläche den Windparkprojektierer Alterric ausgewählt, das Land Hessen sowie die Kommunen Wehrheim und Rosbach hatten sich für ABO Wind (jetzt: ABO Energy) entschieden; jeder für sich und ohne Absprache untereinander. Und Friedberg? Dort ließ man sich nicht etwa Zeit, sondern ging – im Gegensatz zu den Nachbarkommunen – professioneller an die Sache heran. Es wurde unter Leitung von Bürgermeister Dahlhaus und Stadtrat Moch 2023 eine Lenkungsgruppe – bestehend aus Magistratsmitgliedern, Stadtverordneten aller Fraktionen (die UWG verzichtete zwischenzeitlich auf die weitere Mitarbeit) und externen Fachleuten – eingerichtet; diese sollte eine fachliche Bewertung der Angebote und eine letztliche Empfehlung für die Stadtverordnetenversammlung erarbeiten. Und hier musste auch die FDP sich entscheiden. Bleibt man beim kategorischen Nein oder tritt man konstruktiver und mitgestaltend im Entscheidungsprozess auf. Bedingt durch Personalwechsel in Fraktion und Vorstand wurde eine auf Fakten und Fachexpertise gründende Neupositionierung unter Abwägung aller Argumente pro und contra möglich.

Ein Nein wäre durchaus gut begründet, vor allem aus Umweltschutzgründen. So wird die Realisierung des Projektes bei den Waldflächen erhebliche Abholzungen am Winterstein zur Folge haben. Jedes Windrad benötigt eine betonierte Fläche von 5.000 m², hinzu kommt für jedes Windrad nochmals eine Fläche von 5.000 m² für den notwendigen Kran zum Aufbau der Anlage. Zum Vergleich: Ein Fußballplatz hat eine Größe von etwa 7.100 m². Bei beabsichtigten rund 18 Windrädern wäre das eine zubetonierte Fläche von rund 180.000 m². Pro Sockel wären etwa 1500 m³ Beton sowie etwa 100 t Stahl mit LKWs zum Winterstein zu fahren und Erde vom Ausschachten der Baugruben hinunterzuschaffen. Und die Betonierung im Wald erfolgt dauerhaft. Hinzu kommen erhebliche Abholzungen entlang der Transportwege zum Winterstein hinauf. Lassen sich die Türme der Windkraftanlagen noch zerlegen, gilt dies für die Flügel nicht. Der Flügel eines modernen Windrads hat eine Länge von etwa 60-70 m. Wer die Wege hinauf zum Winterstein kennt, weiß, dass dort viele enge Kurven zu bewältigen sind. Dazu müssen Wege verstärkt, befestigt und verbreitert werden, auch um die Schwertransporter mit den Windradflügeln tragen zu können. Allein einer dieser Flügel wiegt um die 25 t. Für die Zeit des Aufbaus der Anlagen wären wohl zumindest Teile der Zufahrtswege zum Winterstein gesperrt, um den LKW-Verkehr zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Winterzeit, ist doch von den Flügeln mit sog. Eisschlag zu rechnen, ein Gefahrenbereich dürfte nicht betreten werden. Auch ist die Behauptung unzutreffend, dass große Flächen des Waldes am Winterstein bereits entwaldet seien, siehe dazu auch unser Bild vom September 2021. Zwar gibt es leider Freiflächen an den Hängen, die Standorte der WEA werden jedoch nach rein fachlichen und Effizienz-Parametern ausgewählt werden und nicht danach, wo zufällig gerade eine Lichtung ist. Es stellt sich für die Friedberger Liberalen trotz Notwendigkeit des Ausbaus der Windkraft an Land die Frage, ob der Winterstein dafür die erste Wahl ist. Es gelte grundsätzlich, besser geeignete Flächen für Windkraftanlagen zu finden mit weniger Eingriffen in die Natur. In anderen Bundesländern werden WEAs ja auch nicht nur auf Bergen, in Waldgebieten und Naturschutzräumen errichtet.

Allerdings hat sich auf Grund der Beschlusslage in den Nachbarkommunen sowie beim Bund und dem Land Hessen diese Forderung erübrigt. Würde Friedberg einem Bau von WEAs auf seiner Fläche nicht zustimmen, gäbe es diese trotzdem auf den anderen Flächen, nur eben 3-4 Anlagen weniger. Und das auch auf Flächen, die nicht einmal direkt an Friedberg (hier: Ockstadt) angrenzen würden, denn da liegen vor allem die Flächen des Bundes. Des weiteren wäre zu berücksichtigen, dass es eine Mehrheit in der Friedberger Stadtverordnetenversammlung in den Fraktionen der CDU, SPD, Grünen und der Linken für den Bau von WEAs auf Friedberger Gemarkung gibt. Verhindern könnte die FDP das mit ihrem Nein nicht.
Zudem hatte sich zwischenzeitlich in der Gesetzeslage etwas ganz Entscheidendes verändert, welches auch die dem ökologischen UND ökonomischen Handeln verpflichtete FDP nicht ignorieren konnte. Der Bundestag hatte 2022 eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zum 01.01.2023 beschlossen (Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen | Bundesregierung). Danach gibt es für Kommunen, auf deren Flächen WEAs errichtet werden, eine vertraglich garantierte Pachtzahlung sowie eine in § 6 EEG geregelte Kommunalabgabe i.H.v. 0,2 ct / KWh erzeugter Strommenge (sowie auch eine Regelung für eine fiktive Strommenge). Was heißt das für Friedberg? Nimmt man das letztlich ausgewählte Angebot von ABO Energy (s.u.), so wären das Pachterträge von rund 460.000 EUR pro WEA, bei potentiellen 4 Friedberger Anlagen also rund 1,84 Mio. EUR, pro Jahr! Hinzu kommen die Vergütungen nach § 6 EEG, die bei prognostizierten 18.000 MWh Leistung je Anlage weitere rund 36.000 EUR pro Jahr und WEA bedeuten (vollständige Einspeisung ins Netz unterstellt). Des weiteren gehen 90% der aus dem Betrieb der WEAs entstehenden Gewerbesteuereinnahmen des Betreibers an die Standortkommune der WEAs, also Friedberg (§ 29 GewStG).

„Pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht) hielt schon der römische Kaiser Vespasian seinen Kritikern aus Anlass der Einführung einer Latrinensteuer in Rom entgegen. Mit solchen Zahlen lassen sich doch alle gefällten Bäume und der Naturschutz schnell vergessen, oder? Und lassen sich Magistrat und Stadtverordnete in Friedberg schlichtweg kaufen, gar korrumpieren und alle hehren Grundsätze über Bord werfen, wie ein Vorwurf zwischenzeitlich verlautbart wurde?

Wer wie die FDP verantwortungsvolle Politik gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Friedberg gestalten will, dem bleibt bei o.g. Zahlen eigentlich keine Wahl. Wir haben in Friedberg in den nächsten Jahren eine Reihe kostspieliger Vorhaben geplant, die Friedberg voranbringen sollen, die z.T. aber auch gesetzlich gefordert sind. Neben dem Neubau von KiTas und Feuerwehrhäusern sind das vor allen die Neuerwerbungen von städtischen Flächen auf dem Kasernengelände der ehemaligen Ray Baracks, die Sanierung von Bürgerhäusern in den Stadtteilen sowie vor allem die Neugestaltung der Kaiserstraße (inkl. notwendiger Sanierung der Kanalisation). Daneben gibt es viele alltägliche Verpflichtungen wie den Unterhalt und die Sanierung von Rad- und Fußwegen und der Straßen sowie die finanziellen Unterstützung von Vereinen. Allein die Investitionsvorhaben werden in den nächsten 10 Jahren sicherlich eine hohe zweistellige Millionensumme erfordern. Geld, dass in den bereits „auf Kante genähten“ Haushalten nicht vorhanden sein wird. Würde man auf o.g. Gelder aus dem Betrieb der WEAs verzichten, müsste man auch so ehrlich sein und den Bürgerinnen und Bürgern in Friedberg sagen:
Es gibt keine Neugestaltung der Kaiserstraße, keine sanierten Bürgerhäuser, kaum Erneuerung von Straßen, Rad- und Fußwegen. Und falls doch, wären für diese freiwilligen Vorhaben sowie für die Finanzierung kommunaler Pflichtaufgaben entweder direkt die Steuern (Grund- sowie Gewerbesteuer) ganz erheblich zu erhöhen oder zunächst neue Schulden aufzunehmen, deren Zins- und Tilgungsverpflichtung dann wohl wiederum Steuererhöhungen zur Folge hätte.
Natürlich kommen jetzt die üblichen Populisten und Neunmalklugen daher und wissen alles, würden alles anders machen und natürlich besser. Und alles ohne WEAs auf dem Winterstein. Die nackten Zahlen (und damit die Realität) sind in den Haushalten der Stadt Friedberg für jeden nachzulesen. Und über die künftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands (und damit auch die Steuerschätzungen für Bund, Länder und Kommunen) gibt es vielfältige Prognosen im Internet zu recherchieren. Ein jeder möge sich seine Meinung darauf aufbauend bilden.

Die FDP hatte sich jedenfalls entschieden, konstruktiv am Auswahlverfahren für die Bestimmung des am besten geeigneten Anbieters für die WEAs auf den Friedberger Flächen am Winterstein mitzuwirken. Durch unsere betriebs- und volkswirtschaftliche Kompetenz in den eigenen Reihen, ergänzt durch Beratung bspw. von Bürgerenergiegenossenschaften sowie Professoren der Frankfurt School of Finance und Management, konnten wir eine fundierte fachliche Bewertung der vorliegenden Angebote von Unternehmen zur Projektierung und Realisierung der geplanten WEAs vornehmen. Im Lenkungsauschuss der Stadt Friedberg konnten wir dadurch mit unserem Vorsitzenden Dr. Markus Schmidt sowie der Fraktionsvorsitzenden Sabine Fuchs qualitativ hochwertige Beiträge zur Auswahlentscheidung beisteuern. Ohne die von der FDP aufgeworfenen Fachfragen an die bietenden Unternehmen wäre so manches wichtige Detail im Auswahlverfahren nicht betrachtet worden. Die FDP hat wichtige Impulse für eine fundierte Entscheidung des Lenkungsausschusses geben können. Danke an alle Mitwirkenden der anderen Fraktionen, die diese Argumente im Lenkungsausschuss ohne parteipolitisches Ränkespiel aufgegriffen haben.

Das o.g. Vorgehen zeigt, dass die FDP Friedberg nicht fundamentalistisch auf einmal gefassten Beschlüssen beharrt, sondern in einer sich wandelnden politischen und wirtschaftlichen Umwelt mit Sachlichkeit, Überlegtheit, Mut und Fachwissen in für die Bürgerinnen und Bürger Friedbergs wichtigen Entscheidungsprozessen mitwirken und diese mitprägen will. Für Manchen mag das „Umfallen“ sein, wir nennen das Verantwortung und Kompetenz. Nicht für uns, sondern für die Bürgerinnen und Bürger Friedbergs. Denn die wählen uns genau dafür.