Europa ist alternativlos, muss aber reformiert werden

04.05.2022

Jörg-Uwe Hahn: “Europa ist alternativlos, muss aber bürokratisch und inhaltlich reformiert werden!”

Seit 1995 findet alljährlich rund um den Europatag am 9. Mai die Europawoche statt, in der für die europäische Idee und die europäischen Werte geworben wird. Anlass genug für den ehemaligen hessischen Europa-Minister und aktuellen Landtagsvizepräsidenten Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn mit den Schülerinnen und Schülern des Wirtschafts- und Politikkurses der Jahrgangsstufe 12 des Friedberger Augustiner-Gymnasiums über aktuelle geopolitische und wirtschaftliche Entwicklungen zu diskutieren. Unterstützt wurde er dabei von dem Europabeauftragten der Wetterauer FDP und Stellvertretenden Vorsitzenden der Friedberger Liberalen, Dr. Markus A. Schmidt. In der Diskussion wurde deutlich, wie intensiv und vielfältig die aktuelle Lage die jungen Menschen beschäftigt. Denn das Gespräch streifte nicht nur Kernthemen zur Zukunft der EU, sondern auch Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes, der aktuellen Inflationsentwicklung oder des Zivilschutzes in Deutschland. 

“Drei Dinge müssen sich in Europa ändern, damit die EU dauerhaft im Konzert der wichtigen Wirtschaftsregionen mitspielen kann”, begann Jörg-Uwe Hahn seine Ausführungen zur Zukunft der EU. “Das Prinzip der Einstimmigkeit muss weg – bei nunmehr 27 Mitgliedstaaten ist dies nicht mehr praktikabel”, so der frühere hessische Europa-Minister. Zudem sollten die Mitgliedstaaten die EU nicht als Subventionstopf begreifen, um das eigene Land zu finanzieren, sondern erkennen, dass eine positive Entwicklung der EU insgesamt auch förderlich ist für jedes einzelne Mitgliedsland. “Man sieht ja, wohin die Forderung ‘Ich will mein Geld zurück’ der früheren britischen Premierministerin Thatcher geführt hat – das Vereinigte Königreich ist heute nicht mehr Teil der EU und hat sich damit selbst als auch der Union insgesamt geschadet”, ergänzte Markus Schmidt. “Die EU braucht weniger nationale Egoismen und mehr Selbstbewusstsein auf der internationalen Bühne”, so Hahn. “Solange sich die nationalen Regierungen europäische Erfolge selbst ans Revers heften, Misserfolge aber bei der EU abladen, wird es keine positive Wahrnehmung der EU in der Bevölkerung geben”, ist sich Hahn, der 1975 sein Abitur auf “der August” gemacht hat, sicher. Es bedürfe einer gemeinsamen Klammer, innerhalb der sich die Europäer versammeln können. “Diese Klammer bilden Demokratie, Rechtstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft”, so Hahn. 

Eine starke und geeinte EU sei nicht allein ein wirtschaftliches Interesse, sondern ermögliche z.B. auch einen effektiveren Umweltschutz. Das Ziel, die europäischen Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2030 um 55% gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken und Europa bis 2050 komplett klimaneutral aufzustellen sei nur gemeinsam erreichbar, zeigten sich Hahn und Schmidt überzeugt. Und auch die Herausforderungen, die derzeit der furchtbare Krieg in der Ukraine nicht zuletzt mit Blick auf die dadurch ausgelösten Fluchtbewegungen bergen, bedürften einer gesamteuropäischen Kraftanstrengung.

Mit Blick auf die aktuelle Inflationsentwicklung sorgten sich die Schülerinnen und Schüler um das Wohlergehen insbesondere einkommensschwächerer Haushalte. “Man muss doch sicherstellen, dass alle Menschen ein Dach über dem Kopf und genügend und qualitativ angemessenes Essen haben”, so der Hinweis eines Schülers. Hahn zeigte Verständnis für die Sorgen der jungen Menschen und wies auf die Maßnahmen hin, die die Bundesregierung bereits unternommen habe, um die Menschen im Bereich der Energie- und Nahrungsmittelpreise zu entlasten. “Man muss aber auch akzeptieren, dass Krisen nun eben zum Wirtschaftsleben dazu gehören”, so Hahn. “Wenn man dauerhaft versucht, jegliche wirtschaftliche Härte durch staatliche Interventionen zu vermeiden, steigt die Gefahr, dass der Staat irgendwann nicht mehr handlungsfähig ist und die Krise dann viel heftiger ausfällt, als wenn man unangenehme Anpassungen zuvor bereits zugelassen hätte”, ergänzte Schmidt.

Eineinhalb Stunden diskutierten die Schülerinnen und Schüler mit ihren liberalen Gästen. “Der Austausch mit jungen Menschen macht mir immer außerordentlich viel Spaß und ist mir besonders wichtig”, so Jörg-Uwe Hahn zum Abschluss. “Immerhin hat Hans-Dietrich Genscher schon darauf hingewiesen, dass Europa unsere Zukunft ist. Die jungen Menschen sind es auch. Deshalb ist es so wichtig, sie von der europäischen Ideen und ihren Werten nachhaltig zu überzeugen.”

Im Bild von links nach rechts: Mario Brinkmann, Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn, Dr. Markus A. Schmidt