Achim Güssgen-Ackva (FDP): „Eine wichtige Chance zum aktiven Gedenken  wurde erneut vertan.“

09.05.2015

Vorerst keine Stolperstein-Aktion in Friedberg

„Die FDP-Fraktion hat den Antrag, Stolpersteine auch in Friedberg zu verlegen, vorerst zurückgezogen. Das Thema uns ist zu wichtig, um es parteipolitischen Streitereien auszuliefern. Die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der Freien Wähler haben mit ihrer ablehnenden Haltung eine wichtige Chance vertan, um in besonderer Weise an jüdische Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern.“ Die hat der Fraktionsvorsitzende der FDP in der Stadtverordnetenversammlung anlässlich des Gedenkens an das Kriegsende vor 70 Jahren erklärt.

Güssgen-Ackva teilte mit, dass er nach einer Sitzung des Jugend- und Kulturausschusses den Antrag in einer Mitteilung an den Stadtverordnetenvorsteher zurückgezogen habe, „nicht weil er schlecht oder falsch sei, sondern weil die FDP vermeiden wollte, dass die Debatte über das Thema dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus insgesamt schaden würde.“ Man habe im vergangenen Jahr einen neuen Anlauf gestartet, da ein erster im Jahr 2007 von der Verwaltung immer wieder verschleppt worden sei. Güssgen-Ackva weiter: „Ich war entsetzt, mit welcher Heftigkeit und zum Teil hanebüchenen Argumenten ein Projekt, das bundesweit auf sehr große Resonanz stößt, abgelehnt worden ist. Erneut hat die Verwaltung mit dem Bürgermeister an der Spitze sich die alleinige Hoheit darüber angemaßt, was an Gedenkformen in unserer Stadt zugelassen wird und was nicht.“ Besonders absurd sei es auch gewesen, dass der Antrag seitens der CDU-Fraktion und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden sei, die mit genau den entgegengesetzten Argumenten einen gleichlautenden und von Ihnen seinerzeit mitgetragenen Antrag während der Koalition mit der FDP abgelehnt hätten.

Güssgen-Ackva teilte mit, dass seitens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nach der Ablehnung des Antrags durch die eigenen Vertreter im Ausschuss offenbar ein Nachdenken darüber eingesetzt habe, ob diese Haltung so klug gewesen sei. „Dann hätten die Grünen früher mit dem Nachdenken anfangen sollen, sie haben den Antrag ja schließlich schon einmal sehr befürwortet. Offenbar ging es jetzt nur noch darum, die Kurve zu bekommen.“

Güssgen-Ackva weiter: „Stolpersteine stören niemanden. Sie sind ein Beitrag zur aktiven Auseinandersetzung mit Geschichte. Sie sollten auch nicht von der Stadt bezahlt werden, sondern durch bürgerschaftliches Engagement, finanziert durch Paten auf öffentlichem Grund flächenbündig in den Gehweg eingelassen werden. Die Namen unserer in der NS-Zeit ermordeten Mitbürger würden von Bürgern des heutigen Friedberg aktiv ins Stadtbild zurückgeholt werden. Stolpersteine wären aktiver Geschichtsunterricht, sie würden gerade auch Kindern und jungen Menschen auffallen, die Fragen stellen würden.“

Wer genau hinsehe, der müsse erkennen, dass bei vielen Gedenkaktionen und Veranstaltungen immer dieselben Vertreter des öffentlichen Lebens und der interessierten Bürgerschaft kämen. So verdienstvoll die Anteilnahme dieser Menschen auch sei, so wichtig wäre es mit einer Aktion wie den Stolpersteinen eine sehr viel breitere Öffentlichkeit zu erreichen. „Aber die Ablehnung war breit, weil man offenbar diese Form der Auseinandersetzung scheut“, so Güssgen-Ackva. Er bezeichnete auch die Unterstellung aus den Reihen der CDU, dass die Jüdische Gemeinde Bad Nauheim-Friedberg ja nicht gefragt worden sei, als geradezu infam. Achim Güssgen-Ackva hierzu: „Das ist einfach falsch und das weiß man bei der Union. Aber das wollte man im Ausschuss nicht hören. Ich hätte diesen Antrag nie auf den Weg gebracht, wenn ich nicht die Nachricht erhalten hätte, dass die Gemeindeleitung diesen Antrag auch befürwortet.“

In Friedberg mit seiner langen jüdischen Geschichte hätten nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden der FDP viele kleine Denkmäler geschaffen werden können, um die Erinnerung an das Schicksal der Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten. Die Stadt hätte mit einer Unterstützung des Projekts auch einen besonderen Beitrag zur Erinnerungskultur gerade im bevorstehenden Jubiläumsjahr 2016 leisten können. „Trotz der Ablehnung bleibe ich bei diesem Thema weiter aktiv und bringe den Antrag in der nächsten Wahlperiode wieder ein“, so Güssgen-Ackva. „Ich lasse mich durch Ignoranz dieser Art nicht abschrecken. Gerade in einer Zeit des zunehmenden Antisemitismus ist es wichtig, dass man die Erinnerung aktiv bewahrt, auch mit Stolpersteinen.“