Windpark Winterstein – Position der Freien Demokraten Friedberg
In a nutshell:
- Auf dem Winterstein wird ein Windpark mit bis zu 18 Windenergieanlagen (WEA) entstehen, der auf den Flächen des Bundes, des Landes Hessen sowie der Gemeinden Rosbach v.d.H., Wehrheim und Friedberg realisiert werden soll.
- In Friedberg ist der Bau der WEA auf dem Winterstein von einer breiten politischen Mehrheit aus CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gewünscht; die Ablehnung der Freien Demokraten und der UWG/FW konnte in der Vergangenheit den nun anstehenden Bau von WEA auf dem Winterstein nicht verhindern.
- Trotz weiterhin grundsätzlicher Skepsis gegenüber dem Bau von WEA auf dem Winterstein haben sich die Friedberger Freien Demokraten konstruktiv an der Prüfung der Angebote der aussichtsreichsten Projektentwickler beteiligt.
- Der Bau der Anlagen auf dem Winterstein wird nicht ohne erhebliche Eingriffe und Zerstörungen des Waldes am Winterstein möglich sein; der Zugang zum Waldgebiet wird während der Bauphase und darüber hinaus für die Öffentlichkeit zumindest zeitweise eingeschränkt werden.
- Die nun zu bauenden bis zu 4 WEA auf Friedberger Gebiet lassen für die Stadt rund 1,8 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr erwarten. Ohne diese Einnahmen wären laufende Pflichtleistungen der Stadt sowie nötige Zukunftsinvestitionen nur mit höheren kommunalen Steuern oder höheren Schulden zu finanzieren.
- Angesichts der politischen Realitäten und der ökonomischen Argumente haben die Friedberger Freien Demokraten wichtige Impulse im Entscheidungsprozess für die Auswahl eines Projektentwicklers eingebracht.
- Dem Vertrag mit Abo Energy zur Errichtung der WKA haben wir die Zustimmung allerdings verwehrt. Details und Erläuterungen dazu siehe unten.
- Wir werden auch zukünftig Vorschläge machen, welche die Ansiedlung und Realisierung von Anbietern und Technologien für die Nutzung überschüssigen erzeugten Windstroms möglich machen und damit die Innovationkraft Friedbergs fördern. Wir wollen innovative Unternehmen und Forschung nach Friedberg locken und einen Investitionsstandort für Technologie rund um die Windenergie schaffen.
Grundsatzbeschluss zu einem Windpark auf dem Winterstein vom Februar 2022
Auf dem Winterstein wird ein Windpark mit bis zu 18 Windenergieanlagen (WEA) entstehen. Entsprechende Entscheidungen wurden bereits vom Bund und dem Land Hessen getroffen und auch die Gemeinden Rosbach v.d.H. und Wehrheim haben sich auf ihren jeweiligen Flächen für den Bau von Windrädern entschieden. In Friedberg hatten Bündnis 90/Die Grünen bereits im Februar 2022 einen Grundsatzbeschluss zu einem Windpark auf dem Winterstein vorgelegt, mit dem eine eigentumsübergreifende Planung mit Bundes- und Landesforst sowie den Kommunen Rosbach v.d.H. und Ober-Mörlen für ein Windparklayout gefordert wurde. Diesem Antrag stimmte die Friedberger Stadtverordnetenversammlung am 17. Februar 2022 mit großer Mehrheit von Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Linke und CDU zu. Einzig die Fraktionen der Freien Demokraten und der UWG/FW wiesen auf die massiven negativen Folgen für Flora und Fauna im Naturschutzgebiet Winterstein hin und begründeten damit ihre Ablehnung der WEAs im Waldgebiet.
Denn die Realisierung des Projektes wird erhebliche Abholzungen in den Waldflächen am Winterstein zur Folge haben. Jedes Windrad benötigt eine betonierte Fläche von 5.000 m², hinzu kommt eine Fläche von weiteren 5.000 m² je Anlage für den notwendigen Kran zum Aufbau der Anlage. Zum Vergleich: Ein Fußballplatz hat eine Größe von etwa 7.100 m². Bei beabsichtigten rund 18 Windrädern wäre das eine zubetonierte Fläche von rund 180.000 m². Pro Sockel sind etwa 1500 m³ Beton sowie etwa 100 t Stahl per LKW auf den Winterstein zu transportieren und entsprechend Aushub aus den Baugruben zu beseitigen. Und es darf bezweifelt werden, dass der regelmäßige Rückbau der Sockel nach dem Ende der Betriebsdauer der WEA tatsächlich erfolgt. Hinzu kommen absehbar erhebliche weitere Abholzungen entlang der Transportwege zu den Baustellen am Winterstein. Lassen sich die Türme der Windkraftanlagen noch zerlegen, gilt dies für die Flügel nicht. Der Flügel eines modernen Windrads hat eine Länge von etwa 60-70 m und wiegt bis zu 25 t. Wer die Wege hinauf zum Winterstein kennt, weiß, dass dort viele enge Kurven zu bewältigen sind. Deshalb müssen Wege verbreitert, befestigt bzw. verstärkt werden, um den Schwertransportern mit den Windradflügeln die Zufahrt zu den Baustellen zu ermöglichen. Für die Zeit des Aufbaus der Anlagen ist absehbar mit langwierigen und umfassenden Sperrungen großer Teile des Wintersteins für die Öffentlichkeit zu rechnen. Gleiches gilt für die Winterzeit, ist doch von den Flügeln mit sog. Eisschlag zu rechnen, ein Gefahrenbereich dürfte nicht betreten werden.
Die Behauptung vieler Windkraftbefürworter, große Flächen des Waldes am Winterstein seien bereits entwaldet und müssten nicht zum Bau der WEA gerodet werden, ist indes nicht zutreffend. Zwar gibt es leider Freiflächen an den Hängen, die Standorte der WEA werden jedoch nach rein fachlichen Gesichtspunkten ausgewählt und nicht danach, wo bereits Lichtungen vorhanden sind.
Auswahlverfahren der Stadt Friedberg für einen Projektentwickler des Windparks Winterstein ab Sommer 2023
Zwischenzeitlich wurden die Pläne für eine gemeinsame Planung und Entwicklung des gesamten Ausbaugebiets verworfen. Der Bund wird seine Fläche durch den Windparkprojektierer Alterric entwickeln lassen, das Land Hessen sowie die Kommunen Wehrheim und Rosbach haben sich jeweils eigenständig für ABO Wind (jetzt: ABO Energy) entschieden. Friedberg entschied sich als einzige Gemeinde für einen professionellen, strukturierten Entscheidungsfindungsprozess, der der Tragweite des Projekts für die Stadt angemessen war. Dabei wurde bereits im Jahr 2023 eine Lenkungsgruppe unter Leitung von Bürgermeister Kjetil Dahlhaus und Stadtrat Karl Moch eingesetzt, der Vertreter des Magistrats und aller Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung angehörten. Nur die Fraktion der UWG/FW verzichtete auf eine Teilnahme. Unter beratender Mithilfe externer Fachleute sollte diese Lenkungsgruppe eine fundierte fachliche Bewertung der Angebote erstellen, die sowohl betriebswirtschaftliche wie auch technologische Fragestellungen beantwortet. Darauf aufbauend sollte eine Empfehlung zur Auswahl eines Projektentwicklers für die Stadtverordnetenversammlung erarbeitet werden. Angesichts der politischen Realitäten in Friedberg, in Hessen und im Bund haben wir Friedberger Freie Demokraten uns trotz grundsätzlicher Bedenken gegenüber dem Projekt dazu entschlossen, auf Grundlage von Fakten und Fachexpertise konstruktiv und gestaltend im Entscheidungsprozess mitzuwirken.
An unserer grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Bau von WEAs auf dem Winterstein hat sich indes nichts geändert. Wir Friedberger Freie Demokraten sind weiterhin skeptisch, ob der Winterstein für die Errichtung von WEA die erste Wahl ist.
Allerdings hat sich auf Grund der Beschlusslage in den Nachbarkommunen sowie beim Bund und dem Land Hessen die Forderung nach einem Verzicht auf die WEA erübrigt. Würde Friedberg einem Bau von WEAs auf seiner Fläche nicht zustimmen, würden trotzdem Anlagen auf den Flächen der anderen Eigner errichtet. Statt bis zu 18 Anlagen würden in diesem Fall möglicherweise nur bis zu 14 Anlagen realisiert. Und weil die Flächen des Bundes direkt an den Friedberger Stadtteil Ockstadt angrenzen, wäre Friedberg von den Auswirkungen der Anlagen ohnehin betroffen. Zudem ist die Errichtung der WEA durch die große Mehrheit der Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken ausdrücklich gewünscht. Verhindern konnten wir Freie Demokraten die Anlagen auch mit Unterstützung der UWG/FW nicht.
Hinzu kommt eine seit 2023 geänderte Gesetzeslage, die unseren ökologischen Bedenken ökonomische Argumente entgegenstellt. Die im Januar 2023 in Kraft getretene Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) (Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen | Bundesregierung) garantiert den Kommunen, auf deren Flächen WEAs errichtet werden, eine vertragliche Pachtzahlung sowie eine Kommunalabgabe i.H.v. 0,2 ct / KWh erzeugter Strommenge (sowie auch eine Regelung für eine fiktive Strommenge).
Was heißt das für Friedberg? Durch das letztlich ausgewählte Angebot von ABO Energy (s.u.) erzielt die Stadt Friedberg jährliche Pachterträge i.H.v. rund 460.000 EUR pro WEA, bei absehbar 4 WEA auf Friedberger Grund also rund 1,84 Mio. EUR pro Jahr! Hinzu kommen die Vergütungen für die prognostizierten 18.000 MWh Leistung je Anlage, die sich auf weitere rund 36.000 EUR pro Jahr und WEA belaufen (vollständige Einspeisung ins Netz unterstellt). Des Weiteren gehen 90% der aus dem Betrieb der WEAs entstehenden Gewerbesteuereinnahmen des Betreibers an die Standortkommune der WEAs, also Friedberg.
Wer sich angesichts dieser Zahlen dem Bau von WEA auf dem Winterstein grundsätzlich verweigert, muss den Bürgern konsequenterweise erklären, wie er die zahlreichen und kostenintensiven Investitionen, die unsere Stadt in den kommenden Jahren angehen muss, finanzieren will. Neben dem z.T. gesetzlich geforderten Neubau und Betrieb von KiTas und Feuerwehrhäusern gehören dazu insbesondere der Erwerb von städtischen Flächen auf dem Gelände der ehemaligen Ray Baracks, die Sanierung von Bürgerhäusern in den Stadtteilen sowie die Neugestaltung der Kaiserstraße (inkl. notwendiger Sanierung der Kanalisation). Daneben gibt es viele alltägliche Verpflichtungen wie den Unterhalt und die Sanierung von Rad- und Fußwegen sowie Straßen, ebenso wie die finanzielle Unterstützung von Vereinen sowie Kunst- und Kulturschaffenden. Allein die Investitionsvorhaben werden in den nächsten 10 Jahren sicherlich eine hohe zweistellige Millionensumme erfordern. Geld, dass in den bereits „auf Kante genähten“ städtischen Haushalten nicht vorhanden sein wird. Würde man auf o.g. Gelder aus dem Betrieb der WEAs verzichten, müsste man entweder auf zukunftsweisende Investitionen in der Stadt wie die Umgestaltung der Kaiserstraße, die Sanierung von Bürgerhäusern und die Instandhaltung und den Ausbau der Infrastruktur verzichten oder diese Investitionen erheblich verkleinern bzw. zeitlich strecken. Alternativ müssten die Grund- und Gewerbesteuer ganz erheblich erhöht werden oder die Stadt müsste neue Schulden aufnehmen, die mittel- bis langfristig ebenfalls zu steigenden Steuern führen würden.
Vor diesem Hintergrund haben wir Friedberger Freie Demokraten entschieden, konstruktiv am Auswahlverfahren für die Bestimmung des am besten geeigneten Projektentwicklers für die WEAs auf den Friedberger Flächen am Winterstein mitzuwirken. Durch unsere betriebs- und volkswirtschaftliche Kompetenz in den eigenen Reihen, ergänzt durch Beratung bspw. von Bürgerenergiegenossenschaften sowie Professoren der Frankfurt School of Finance and Management (siehe Pressemitteilung vom 22. März 2024) konnten wir eine fundierte fachliche Bewertung der vorliegenden Angebote von Unternehmen zur Projektierung und Realisierung der geplanten WEAs vornehmen. Im Lenkungsauschuss der Stadt Friedberg konnten wir dadurch mit unserem Vorsitzenden Dr. Markus Schmidt sowie der Fraktionsvorsitzenden Sabine Fuchs qualitativ hochwertige Beiträge zur Auswahlentscheidung beisteuern. Ohne die von uns Freien Demokraten aufgeworfenen Fachfragen an die bietenden Unternehmen wären wichtige Details im Auswahlverfahren nicht betrachtet worden. Wir haben damit wichtige Impulse für eine fundierte Entscheidung des Lenkungsausschusses geben können. Danke an alle Mitwirkenden der anderen Fraktionen, die diese Argumente im Lenkungsausschuss ohne parteipolitisches Ränkespiel aufgegriffen haben.
Vertragsschluss mit Abo Energy zur Errichtung der WEA
Am 12.12.2024 hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Friedberg mit der Mehrheit der Stimmen aus CDU, SPD, Grünen und Linken einen Vertrag mit dem Projektentwickler Abo Energy beschlossen, der die Grundlage für die Beauftragung der Errichtung der WEA auf dem Winterstein ist. Dazu sind vielfältige Vereinbarungen zu treffen, neben den späteren Pachtzahlungen an die Stadt Friedberg u.a. auch Regelungen zur Nutzung von städtischem Grund und Boden, Wegeverbreiterungen, Abholzungen und Zufahrtsrechte. Die FDP wandte sich gegen den Vertragsentwurf (wie auch die FW/UWG). Warum jetzt ein „Nein“?
Kritik üben die Friedberger Liberalen an den Kostenregelungen zu Rückbauverpflichtungen, wenn die WEAs nach Ende der technischen Nutzungsdauer einmal abgebaut werden sollten. Die derzeit im Vertrag stehende Berechnungsformel zur Bildung von Rücklagen dafür (Narbenhöhe der WEA x 1000) ist aus unserer Sicht unzureichend. Sie folgt zwar einem entsprechenden Erlass der hessichen Landesregierung zum Baugesetzbuch, entbehrt jedoch wirtschaftlichen Erkenntnissen aus bereits vollzogenen Rückbauten in anderen Windparks. Dort zeigte sich ein Wert von 6,5% der Investitionssumme als realistischer. Diesen Vorschlag der FW/UWG zur Aufnahme in den Vertrag haben wir unterstützt, das fand jedoch keine Mehrheit.
Zudem haben wir kritisiert, dass Regelungen zu einem sog. Re-Powering (d.h. Ersatz der Altanlagen durch Neuanlagen) überhaupt nicht im Vertrag enthalten sind. Sofern nun ein Betreiber des Windparks die Altanlagen nach Jahren des Betriebs z.B. durch neue, leistungsfähigere Anlagen und damit ggf. weniger WEA ersetzen möchte, ist er nicht verpflichtet, z.B. die nicht mehr benötigten Altsockel zu entfernen. Sofern man diese Betonfundamente nicht dauerhaft in der Natur belassen möchte, wäre die Stadt als Eigentümer verpflichtet, die Rückbaukosten zu zahlen, oder man müsste nachverhandeln. Auch für die Aufnahme von Regelungen für diesen Sachverhalt fand sich keine Mehrheit bei den übrigen Fraktionen.
Letztlich ist die derzeitige Fassung im Vertragsentwurf, dass Abo Energy „bis zu vier WEA“ auf den Flächen der Stadt Friedberg erstellt, aus unserer Sicht nachteilig für Friedberg, da keine Verpflichtung für eine Mindestanzahl an WEA besteht. Eine Mindestanzahl wollten wir im Vertrag festschreiben lassen, auch dafür fand sich keine Zustimmung der anderen Fraktionen.
Die fehlenden Rechtsgrundlagen und nachteiligen Vertragsformulierungen haben wir für materiell erheblich für ein mögliches Kosten- und Erlösrisiko der Stadt eingestuft, daher konnte man mit liberalem Verstand und Vernunft diesem Vertrag nicht zustimmen.
Das o.g. Vorgehen zeigt, dass die Friedberger Freien Demokraten in einem sich wandelnden politischen und wirtschaftlichen Umfeld sachlich, überlegt, mutig und kompetent zum Wohle Friedbergs und seiner Menschen agieren.