Erneuerung und Verlängerung der Unterführung im Bahnhof Friedberg – Position der FDP

Auf der linken Seite des Tunnelausgangs das Bahnhofsgebäude, das große Gebäude auf der rechten Seite des Tunnelausgangs ist der Tegut-Markt
Auf mehrheitlichen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 11. September 2025 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, UWG/FW und FDP wird dem Vorschlag des Magistrats der Stadt Friedberg zur Verlängerung und Ausbau der Personenunterführung im Bahnhof Friedberg (rote Linie) nicht zugestimmt. Die Deutsche Bahn AG (DB Infrago) saniert die bestehende Unterführung (gelbe Linie) barrierefrei auf eigene Kosten (voraussichtlich bis 2028).
Zur Position der FDP – in a nutshell:
- Die FDP sah und sieht die Vorteile der Tunnelerweiterung für Friedberg und die Bürger. Wir begrüßen die Idee zu einer stadtteilverbindenden Personen- und Radwegeverbindung zwischen der Kernstadt und dem Bahnhof einerseits und Fauerbach andererseits mit dem Ausbau und der Verlängerung der Personenunterführung ausdrücklich.
Wir halten diese Idee für einen wichtigen Baustein der Stadtentwicklung und zu einer Förderung von Rad- und Fußverkehr sowie einer besseren Erreichbarkeit des Bahnhofs von den östlich gelegenen Stadtteilen.
Wir würden viele städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten schaffen, die derzeit noch gar nicht überschaubar sind. - WARUM DANN EIN „NEIN“ DER FDP???
Das Projekt verzeichnete eine deutliche Kostensteigerung in den Plankosten, die endgültigen Kosten würden im ungünstigen Fall noch höher liegen. Das Projekt hätte eine Vielzahl an unwägbaren Risiken für die Belastung der Verwaltung, künftiger wichtiger Projekte in Friedberg und insb. für den Haushalt der Stadt und damit für die künftige Steuerbelastung der Bürger und Unternehmen bedeutet. Diese werden unten ausführlich erläutert. - Die FDP hat sich nach intensiver Abwägung aller Chancen und Risiken auf Grundlage der vorhandenen Planzahlen sowie unter Berücksichtigung der Haushaltslage als auch künftiger Herausforderungen für die Stadt Friedberg letztlich gegen die Zustimmung zur Verlängerung der Unterführung entschieden. Diese Entscheidung ist uns alles andere als leicht gefallen, sehen wir doch die nun nicht mehr zu realisierenden städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten. Wir können jedoch nicht jeden Wunsch erfüllen, nur weil ein Teil der Bürger laut dafür ist. Für finanzielle Blindflüge ist die FDP nicht zu haben.
Eine ausführliche Darstellung unserer Entscheidungsgründe
Im Rahmen der Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile sowie Herausforderungen waren vor allem nachfolgende Fakten und Faktoren zu bewerten:
- Die Gesamtkosten des Projekts sind von August 2024 bis August 2025 nach Angaben der Bahn von rund 56 Mio. EUR auf 165 Mio. EUR gestiegen. Dies sind Planwerte, die letztlichen Kosten würden sehr wahrscheinlich davon abweichen.
- Die anteiligen Kosten der Stadt Friedberg sind im o.g. Zeitraum von rund 14 Mio. EUR auf etwa 42 Mio. EUR gestiegen. Hinzu kämen etwa 3 Mio. EUR sog. Ablöse (d.h. eine Einmalzahlung an die Bahn zur dortigen künftigen baulichen Unterhaltung der Tunnelverlängerung).
Zum Vergleich: Der Haushalt der Stadt Friedberg umfasst 2025 insgesamt Ausgaben von etwa 90 Mio. EUR, die geplanten Investitionen betragen etwa 24 Mio. EUR. - Die o.g. Kosten sind Annahmen der DB Infrago auf Basis von deren Kostenkalkulationen. Diese gelten bis 2028. Allerdings würde die Realisierung der Tunnelverlängerung erst im Zeitraum von 2028 bis 2030 erfolgen, so dass mit weiteren möglichen Kostensteigerungen zu rechnen wäre.
- Die anteiligen Kosten für die Stadt könnten durch die Nutzung von Förderprogrammen des Bundes und des Landes Hessen deutlich gesenkt werden, nach derzeitigen Förderprogrammen und volle Förderung unterstellt auf etwa 20-22 Mio. EUR. Allerdings laufen viele dieser Förderprogramme bis zum Baubeginn aus, ob andere fortgesetzt werden, ist derzeit unklar. Da die Tunnelverlängerung erst ab 2028 durch die Bahn realisiert würde, kann derzeit seriös nicht abgeschätzt werden, welche Fördermittel in welcher Höhe rund um den Baubeginn ab 2028 zur Verfügung stehen könnten. Die derzeitigen und für die Folgejahre prognostizierten Haushaltslagen im Bund und im Land Hessen lassen keine realistische Euphorie aufkommen, dass die Kommunen rund um 2030 mit üppigen Fördermitteln zur Stadtentwicklung rechnen können. Im schlimmsten Fall müsste Friedberg die o.g. Kosten allein tragen.
- Der Haushalt 2025 weist bereits ein strukturelles (d.h. nicht von Einzelmaßnahmen bestimmtes) Defizit von rund 9 Mio. EUR aus, welches in den nächsten Jahren ansteigen wird. Derzeit wird der Fehlbetrag aus Rücklagen ausgeglichen, die ohne weitere Gegenmaßnahmen noch ca. 3 Jahre reichen würden. Danach sind Einsparungen und/oder Steuererhöhungen gesetzlich zwingend notwendig! Eine Gemeinde (und auch der Kreis) kann kein „Sondervermögen“ (also zusätzliche Schulden!) aufnehmen wie der Bund oder die Länder, Schulden sind grundsätzlich nur max. in Höhe der Investitionen möglich.
- Also kein Problem? Langfristig finanzieren, langfristig tilgen, funktioniert beim Einfamilienhaus ja auch. Die Kommunen bekommen zudem für Infrastrukturmaßnahmen regelmäßig recht zinsgünstige Darlehen von Förderbanken des Bundes und des Landes. Dazu eine Beispielrechnung:
Angenommen, Friedberg müsste „nur“ 20 Mio. EUR aus dem eigenen Haushalt bezahlen, den Rest trügen Förderprogramme. Bei einer angenommenen Finanzierung über 50 Jahre und gleichbleibenden Tilgungsraten wären das pro Jahr 400.000 EUR. An Zinszahlungen würden anfänglich rund 800.000 EUR anfallen, angenommen ein gleichbleibender Sollzins über die Laufzeit von 4% (angefragt bei der WI-Bank des Landes Hessen durch die 1. Stadträten im Zuge der Ausschussberatungen). Die Zinsbelastung würde über die Jahre kontinuierlich sinken. Der Zahlungsbetrag würde von 1,2 Mio. EUR im Jahr 1 auf etwa 1 Mio. EUR im Jahr 10 und 0,9 Mio. EUR im Jahr 20 sinken. Allerdings würde Friedberg dann statt 20 Mio. EUR insgesamt rund 40 Mio. EUR zahlen. Auch unter Berücksichtigung eines Inflationsfaktors ein stolzer Preis. Bei einer Rückzahlung des Kredits in 20 Jahren würden lediglich rund 28 Mio. EUR insgesamt anfallen, die Anfangsrate betrüge jedoch rund 1,8 Mio. EUR pro Jahr (fallend auf etwa 1 Mio. EUR im letzten Jahr).
Dazu müsste im letzten Fall der Hebesatz der Grundsteuer anfänglich um ca. 100%-Punkte (und zum Ende noch um etwa 50%-Punkte) von derzeit 590% angehoben werden, um lediglich dieses Darlehen abzahlen zu können (allerdings in isolierter Betrachtung übriger Parameter). - Die Verwaltung der Stadt müsste einen Teil der Planungs- und Projektarbeiten übernehmen. Dazu hat das zuständige Bauamt derzeit zu wenig personelle Kapazitäten. Diese können auch nicht kurzfristig erhöht werden. Schon jetzt kann eine Vielzahl an Projekten nur mit Zeitverzug oder gar nicht realisiert werden. Das Tunnelprojekt könnte zu einer Verschiebung anderer wichtiger künftiger Projekte führen (siehe nächster Punkt).
- In der Stadt Friedberg stehen eine Reihe wichtiger und kostenträchtiger Projekte an.
– Es müssen Flächen auf den Kasernengelände erworben werden, die dafür vorgesehenen Gebäude für die Kernstadt- Feuerwehr und den Bauhof sind neu zu errichten,
– Kindergärten, Bürgerhäuser und weitere Feuerwehrhäuser (z.B. Ockstadt, Ossenheim, Bruchenbrücken) müssen saniert oder sogar neu gebaut werden,
– genauso Straßen und Rad-/Gehwege.
– Das Usa-Wellenbad muss in den nächsten Jahren saniert oder neu gebaut werden,
– die Kläranlage muss eine neue Reinigungsstufe bekommen,
– das neu erworbene Technische Rathaus muss weiter saniert werden.
– Es soll ein neuer Radschnellweg von Butzbach nach Frankfurt gebaut werden (FRM 6).
– Ebenso muss zumindest das derzeitige Parkhaus in der Bahnhofsstraße neu gebaut werden, ggf. noch weitere Parkhäuser (da Parkraum auf der Kaiserstraßen wegfallen wird).
– Letzteres auch mit Blick auf das wichtigste Projekt in Friedberg: die Sanierung und Neugestaltung der Kaiserstraße. Insgesamt reden wir hier über ein Investitionsvolumen im hohen zweistelligen, ggfs. auch dreistelligen Mio.-Bereich bis ca. 2040, wohlgemerkt zusätzlich zu den laufenden Alltagsinvestitionen wie Feuerwehr- und Bauhoffahrzeuge oder Straßen, Rad- und Gehwegesanierung sowie die allgemeine Verwaltung. - Würde die Rad- und Fußwegunterführung wie geplant gebaut, stünden Radfahrende an der Fauerbacher Straße, ohne weiterführenden Radweg. Dieser müsste daher zwangsläufig gebaut werden (idealerweise bis 2030), was weitere Planungs- und Baukosten entstehend lässt und bereits ausgelastete Kapazitäten im Bauamt binden würde. Ggf. würden einige der o.g. Projekte dann nicht oder nur mit großer Verzögerung realisiert werden können. Im Übrigen würde sich die Frage stellen, wo denn der Radweg verlaufen soll? Neben der Straße ist kein Platz mehr, so dass dies nur auf der derzeitigen Straße zu Lasten des Kfz-/Bus-/LKW-Verkehrs möglich wäre. Hierzu gibt es noch nicht einmal ein Konzept zur möglichen Verkehrsführung.
In Summe gab es die berechtigte Sorge, dass die personellen Kapazitäten der Verwaltung für die oben aufgezeigten Projekte schon ohne die Tunnelverlängerung kaum ausreichen würden. Und alle sind ähnlich wichtig für Friedberg. Der Haushalt würde zusätzlich belastet vor den anstehenden o.g. Projekten, die wohl in Summe bereits nur durch Steuererhöhungen ermöglicht werden können (auch wenn bspw. durch die Windkraftanlagen auf dem Winterstein bis zu 1,8 Mio. EUR jährlich an die Friedberger Stadtkasse fließen werden). Es galt und gilt daher, mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln verantwortlich umzugehen, und die gleiche Verantwortung gilt für die Beschlüsse zu möglichen Steuer-erhöhungen. Diese sind aus Sicht der Liberalen so gering wie möglich zu halten, wenn sie schon nicht zu verhindern sind.
Daher konnte dem Projekt „Tunnelverlängerung unter dem Bahnhof Friedberg“ aus Verantwortung für alle Bürger dieser Stadt und vor den realistischen finanziellen Möglichkeiten nicht mehr zugestimmt werden.
Wie geht es weiter mit der Bahnunterführung?
Die Unterführung wird nun durch die Bahn allein saniert und barrierefrei ausgebaut werden. Dazu werden u.a. Rolltreppen und Fahrstühle zu den Gleisen eingebaut. Auch der Zugang zum Bahnhofsgebäude selbst aus der Unterführung wird barrierefrei sein. Dabei wird die Unterführung grundsätzlich wie bisher ausgelegt werden, d.h. in gerader Ausrichtung und bis zum Gleis 12. Die Bahn plant nach derzeitigem Stand ein Ende der Bauarbeiten bis 2028.
Eine nachträgliche Verlängerung dieses Tunnels ist auf Grund der Bebauung (ehemalige Zuckerfabrik) am östlichen Ende des Bahngeländes nicht mehr möglich.